Selbstverteidigung und Waffen
Ich möchte vorwegschicken, daß ich vom Einsatz von Waffen gelinde gesagt wenig halte. Bis man die Sächelchen verteidigungsbereit hat, ist es ohnehin zumeist schon zu spät. Sehr viele Angriffe passieren nun einmal (für den Überfallenen) überraschend. Schließlich kann man den Angreifer schlecht bitten, mal eben innezuhalten, bis man das Spray etc. gezückt hat - und am Ende vergreift man sich und verschwendet teures Parfum. Weiterhin ist zu bedenken, daß Waffen nicht immer und überall hin mitgeführt werden können. Wer will schon die Gaspistole beim Theaterbesuch im Strumpfband unter der Festtagsgarderobe tragen, oder den Elektroschocker beim Besuch im Schwimmbad locker an der Badehose baumeln lassen?
Mir fällt eigentlich nur eine Sache ein, zu der das Mitführen von Waffen gut sein kann: um das eigene Auftreten sicherer zu machen. Manchen gibt die Waffe ein gewisses Maß an Sicherheit, das auch nach außen sichtbar ist. Allerdings stehen diesem einen 'Vorteil' gewichtige Nachteile gegenüber: eine Waffe ist nicht immer sofort zur Hand (wie gerade schon gesagt...), sie kann einem entwunden werden, so daß sie gegen den Verteidiger selbst gerichtet werden kann.
Peinlich sicher auch, wenn man als stolzer Besitzer eines Gassprays die Windrichtung falsch kalkuliert.
Nichtsdestotrotz soll das Thema 'Waffen' angesprochen werden.
Selbstverteidigung mit Waffen
Zu den grundsätzlichen Bedenken habe ich mich ja schon einleitend geäußert. Hinzu kommt noch, daß der Einsatz von Waffen rechtlich nicht unbedenklich ist (vgl. Kapitel 'rechtliche Aspekte').
Was steht grundsätzlich zur Auswahl?
- (scharfe) Schußwaffen: zwar ist die Erlangung für Normalbürger nicht schlichtweg unmöglich, es werden aber hohe Anforderungen gestellt. Und diejenigen, die eine Erlaubnis haben, scharfe Waffen bei sich zu führen, werden aufgrund ihrer Ausbildung (hoffentlich) keinen Aufklärungsbedarf haben. Kein weiterer Kommentar.
- Schreckschuß-/Gaswaffe: je nach Munitionsart Erzeugen eines 'Schußknalls' zur Abschreckung oder Verströmen von Reizgasen (achwas ;) ); täuscht eine 'echte' Waffe vor, was allerdings den Nachteil hat, daß ein Gegner sich so davon bedroht sieht, daß er eine scharfe Waffe zieht, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Bei 'aufgesetzten' Schüssen, oder solchen, die in unmittelbarer Nähe des Gegners abgefeuert werden, bestehen für diesen erhebliche Verletzungsgefahren!
- Reizgas-Spray: wird zumeist in handlichen Dosen verteilt, Reichweite je nach Typ und Umweltbedingungen bis c.a. 3-4 m. Effekte sind vor allem Reizung der Augen, Schleimhäute, Übelkeit. Unter einem Meter Distanz bestehen erhebliche Gesundheitsgefahren für den Angreifer. Als CS/CN-Spray oder in verschärfter Form als 'Pepper' oder 'Pfefferspray' erhältlich. 'CS/CN' hilft nicht gegen angreifende Tiere, 'Pfeffer' schon. Gegen 'CS/CN'-Gase sind Gegensprays im Handel (z.B. Antigas TF98 K), die Linderung versprechen. Pfefferspray wird auch als 'Schaumspray' angeboten, das nach Herstellerangaben besser am Angreifer haftet und so wirksamer sein soll. Haltbarkeitsdatum beachten!
- Farbsprays: versprühen schwer entfernbare Farbe zur 'Markierung' von Tätern. Geringere Reizwirkung. Farbdosen aus dem Baumarkt werden in der Regel zu klobig sein. Haltbarkeitsdatum beachten!
- Elektroschocker: handliche, batteriebetriebene Geräte, die Stromstöße in der Größenordnung von einigen zehntausend bis über hunderttausend Volt erzeugen und so den Angreifer 'schocken'. Dieser wird in der Regel zusammenbrechen, der Schockeffekt kann bis zu zehn Minuten andauern. Verletzungen des Gegners sind dabei auch nicht ausgeschlossen. Zwecks Drohung erlauben viele Geräte, eine Art 'Testblitz' zu erzeugen. Geräte in der Größenordnung einhunderttausend Volt sind in der Lage, auch durch dickere Kleidung Wirkung zu erzielen.
- Akustische Alarmgeber: die 'persönliche Alarmanlage', die mittels eines sehr lauten, durchdringenden Geräusches einen Angreifer in die Flucht schlagen soll.
- Schlagstöcke: vom klassischen Knüppel bis zu ausfahrbaren Teleskopstöcken ist vielerlei erhältlich, wobei sich wohl nur der Teleskopstock zum 'bequemen' und unauffälligen Tragen eignet. Manche Geräte haben auch eine Vorrichtung zum Versprühen von Reizgasen.
- Messer: Springmesser, Fallmesser und Butterflys sind grundsätzlich verboten (s.u.), Taschen- und Fahrtenmesser zur Selbstverteidigung einsetzen zu wollen, bringt i.d.R. mehr Gefahren für den Verteidiger mit sich. Am besten ganz schnell vergessen!
- Sonstiges: Stahlruten, Totschläger und Schlagringe sind verboten. Kein weiteres Wort nötig.
Vor einer Bewaffnung kann ich nur (nochmals) nachdrücklich warnen. Eine 'Spirale der Gewalt' ist eine der möglichen Folgen: wir bewaffnen uns, die 'bad guys' rüsten ihrerseits auf. Und setzen einen drauf. Das gilt für alle Waffenarten, insbesondere für Schußwaffen und Messer. Verhältnismäßig ungefährlich ist die Verwendung von Gasspray, mit Bedenken (!) auch die von Elektroschockern. Allerdings ist zu bedenken, daß gerade bei diesen beiden Mitteln ein Abwehrerfolg nicht hundertprozentig garantiert ist, selbst wenn ein 'sauberer' Treffer beim Angreifer erzielt wird, da manchen Menschen Gas oder Strom offenbar weniger ausmacht. Auch sollte die Wirkung des Adrenalins nicht unterschätzt werden - das wird nämlich nicht nur bei uns, sondern auch beim Angreifer ausgeschüttet und macht ihn gewissermaßen unempfindlicher. Und wenn dann das Hirn auch noch mit Alkohol benebelt ist...
Wer sich eine Waffe beschafft hat und auch wirklich gewillt ist, diese einzusetzten, sollte den Umgang mit ihr auch üben. Der unsichere Umgang mit Waffen führt nur dazu, daß es dem Angreifer leichter gemacht wird, sie letztendlich gegen uns selbst zu verwenden. Und Unsicherheit ist auch äußerlich sichtbar - der gewollte Abschreckungseffekt ist zum großen Teil dahin. Also nochmal: auch der Umgang mit der Waffe will geübt sein.
Selbstverteidigung gegen Waffen
Das ist ein wirklich heikles Thema. Gilt schon für den unbewaffneten Angreifer, daß es für dessen Angriffe eigentlich kein Patentrezept gibt, so gilt dies erst recht für einen Angreifer, der Waffen mit sich führt. Das eigene Risiko ist - je nach verwendeter Waffe - um ein Vielfaches größer.
Nebenbei: Wer wissen will, wie Opfer von Angriffen mit Waffen aussehen können, dem sei die Bildergalerie der forensischen Pathologie der Universität Utah zur Ansicht geraten. Achtung! Die dort gezeigten Bilder (nicht nur von Opfern von Messerangriffen) sind für Minderjährige und Menschen mit schwachem Magen nicht geeignet.
Wenn es einem bewaffneten Räuber wirklich nur auf unser Geld ankommt - bitteschön. Geld oder andere Dinge sind zu ersetzen. Gesundheit oder gar Leben nicht.
Etwas anderes gilt bei Angriffen, die auf unseren Körper zielen. Hier bleibt uns nichts anderes übrig, als uns zu verteidigen. Was also für Verteidigungstechniken anwenden? Naja, eigentlich gilt hierfür das gleiche, wie für den unbewaffneten Angreifer. Ausweichen und Distanz halten gewinnt noch an Wichtigkeit. Die Bereitschaft zur eigenen Kompromißlosigkeit muß mindestens so hoch sein, wie die des Täters.
Ich scheue ein wenig davor zurück, hier Technik X gegen Angriff Y mit Waffe Z zu beschreiben. Vielmehr möchte ich einige Tips geben, die Angriffen mit Waffen ein wenig Wirkung nehmen können.
- Distanz, Distanz und nochmal Distanz. Wenn wir nicht da sind, können wir nicht getroffen werden. Siehe schon meine Predigten in anderen Kapiteln ;) .
- Fuchtelt jemand mit einem Messer herum, sollte man sich ein Kleidungsstück um den 'Blockarm' (nicht unbedingt der Arm, mit dem wir am wirksamsten Schlagen können) wickeln. Sollte der Angreifer versuchen zuzustechen, kann der Stich (der ja eigentlich ein Schlag mit vorgehaltener Waffe ist) mit geringerem Verletzungsrisiko geblockt werden.
- Wenn Zeit ist, den Gürtel aus den Schlaufen zu ziehen, kann ein messertragender Angreifer auch mit der Schnalle geschlagen werden.
- Bei Angriffen mit Messern, Knüppeln etc. die Wucht des Schlages/Stoßes mit Hilfsmitteln abblocken. Taschen als Schilde, Schirme etc. verwenden. Den direkten Kontakt solange wie möglich vermeiden.
- Bei einem Schlag mit einem Knüppel von oben (Angreifer reißt den Stecken über seinen Kopf hoch um uns zu treffen), kann auch ein Block helfen, der strenggenommen keiner ist ;) . Siehe unter Techniken/Blöcke, Rubrik ŽBlöcke gegen SchlägeŽ. Gilt sinngemäß (mit noch erhöhter Vorsicht!) natürlich auch, wenn uns jemand von oben mit einem Messer angreift.
- Wenn jemand eine Schußwaffe auf uns richtet, sollten wir uns nicht einbilden, diese mal eben wegblocken zu können. Das klappt in der Regel nur im Film. Ein entschlossener Angreifer muß nur einen Finger krumm machen. In der Zeit, die er dazu benötigt, ist es schlichtweg unmöglich eine wirksame Verteidigungstechnik anzuwenden.
Konkrete Abwehrtechniken hiergegen zu vermitteln, überlasse ich Kursleitern von Selbstverteidigungskursen, die meinen, solche Techniken lehren zu müssen.
Eine Verteidigungstechnik ist nur dann bei vorgehaltener Schußwaffe erfolgversprechend, wenn der Täter irgendeinen 'Fehler' (was weiß ich? Vielleicht minutenlang in die andere Richtung starren? Einschlafen?) begeht. Tja, aber wer will in Sekundenbruchteilen beurteilen, ob gerade ein 'Fehler' gemacht wird. Bitte bedenken: eine Fehleinschätzung unsererseits oder leichtfertige Überschätzung der eigenen Fähigkeiten können das Leben kosten!
Also vielleicht doch aufs 'Verhandeln' verlegen. Die eigene Person darstellen, dem Gegenüber klarmachen, daß er einen Menschen vor sich hat, kein namenloses Opfer. Sich quasi aus der Anonymität holen (vgl. auch Kap. 'Frauen'). Sich lieber berauben als erschießen lassen. Beruhigen, der eigenen Harmlosigkeit versichern etc. . Und was habe ich an anderer Stelle geschrieben? 'Helden haben eine geringe Halbwertzeit'? Jaja...
Zur Theorie: sind wir uns sicher, ich wiederhole: sicher!, daß der Täter abgelenkt ist, überprüfen, ob die Waffe in unmittelbarer Reichweite ist. Jeder Schritt zur Distanzüberbrückung ist zuviel. Eine Ausweichbewegung muß weg aus der Schußrichtung erfolgen und mit einem entwaffnenden Griff kombiniert werden. Die Waffe muß so ergriffen werden, daß es unmöglich wird, sie wieder zu uns hin auszurichten. Der Griff sollte die Waffe idealerweise weiter 'von uns weg' drücken. Am wichtigsten ist es dann, sie dem Täter zu entwinden. Das kann mit einem Schlag erfolgen, einem Hebel, Griff, Tritt, allem zusammen etc.. Nicht der Täter ist vorrangig anzugreifen, sondern die uns unmittelbar bedrohende Schußwaffe. Bis die Waffe entwunden ist, muß der Schußarm des Angreifers (idealerweise an der Waffe selbst) auch festgehalten werden, um das Richten auf unsere Person zu verhindern.
Das eben gesagte kann hierbei nur die 'ungefähre Theorie' sein. Im Falle des Falles so etwas ohne Übung, Übung und mindestens tausendundeinmal ;) Übung durchführen zu wollen, grenzt an Selbstmord. Hier näher auf irgendwelche Techniken einzugehen wäre auch deshalb Blödsinn, um keine falschen Hoffnungen bezüglich der eigenen Fähigkeiten zu wecken.
Es bringt übrigens auch recht wenig, darauf zu achten, ob der Hahn gespannt ist. Genauso unsinnig ist es, darauf zu vertrauen, daß 'die meisten Pistolen achtschüssig' sind. Beide sicher gutgemeinten 'Tips' habe ich irgendwann beim Durchblättern eines Selbstverteidigungsbuches entdeckt - nicht zu fassen!
- Bei Angriffen mit Tränengas so schnell wie möglich aus der Wirkungszone des Gases heraus. Falls vorhanden, Antigas verwenden. Augen mit kaltem Wasser ausspülen. Haut mit Wasser reinigen. Für ausreichend Frischluft sorgen, falls vorhanden auch Ventilator verwenden. Bitte daran denken, daß das Zeug auch an der Kleidung haftet. Also nicht mit dem Ärmel durch's Gesicht fahren. Kleidung auswechseln oder wenigstens lüften (ausschütteln - dabei aber wieder die Windrichtung bedenken).
Der rechtliche Aspekt
In der Hauptsache werden hier Vorschriften aus dem Waffengesetz (WaffG) einschlägig. Statt langer Worte über verbotene Gegenstände zu machen sei auf den Gesetzestext verwiesen: die Anlage 2 enthält eine Liste von Waffen, mit denen der Umgang verboten ist. Man sehe mir bitte nach, daß diese Liste hier nicht im Wortlaut erscheint, das Teil ist verflixt lang und würde den Rahmen dieser Seite sprengen.
Wer meint, unbedingt gegen die Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen zu müßen, hat mit saftigen Strafen zu rechnen! Ich erspare mir die Auflistung 'was wofür'. Merke: Verstöße gegen das Waffenrecht sind keine Kavaliersdelikte! Die einschlägigen Strafbestimmungen sind hier zu finden.
In Kurzform:
- Wenn's denn unbedingt sein muß, dann nur im Fachhandel kaufen. Der Fachhändler kennt die Verbote, kann beraten, führt keine 'schwarze' Ware etc. ... Übrigens lohnt sich auch hier natürlich ein Vergleich zwischen Händlern und das Einholen mehrerer Meinungen über bestimmte Verteidigungsinstrumente.
- Schußwaffen sind vorbehaltlich besonderer Genehmigung untersagt. Gilt ebenso für Nachbildungen.
- Messer sind ebenso verboten. Es sei denn, sie sind ihrer Beschaffenheit nach als Taschenmesser (oder Werkzeug) anzusehen. Ausdrücklich verboten sind so z.B. Springmesser, Fallmesser oder Butterflymesser.
- Gleiches gilt für solche Geräte, die ihrer Beschaffenheit und Handhabung nach geeignet sind, durch Würgen die Gesundheit zu beschädigen. Darunter fällt übrigens auch das Nunchaku (auch wenn dieses nicht (nur) zum Würgen da ist). Stahlruten, Totschäger und Schlagringe sind (na?) verboten.
- Auch der Besitz von Zwillen ist waffenrechtlich mehr als bedenklich. Kurz gesagt: mit Sicherheit Pfoten weg von Zwillen mit Doppelzug (zwei Gummis auf jeder Seite). Besser auch gleich Pfoten von allen anderen lassen.
- Elektroschocker sind untersagt, es sei denn, sie haben ein amtliches Prüfzeichen zum Nachweis ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit.
- Reizgassprays etc. ist ebenfalls nur dann erlaubt, wenn es ein solches amtliches "Unbedenklichkeitszeichen", äh, Prüfzeichen hat.
- Ausnahmen bestätigen die Regel. Das gilt auch für an sich verbotene Gegenstände, die durch das Bundeskriminalamt zugelassen werden können. Im Zweifel beim Kauf nachfragen. Bei manchen Teilen erübrigt sich das Nachfragen natürlich. Wenn beispielsweise ein Schlagring ein amtliches Prüfzeichen haben sollte hätte ich so meine Zweifel an dessen Echtheit.
- Faustregel: sich fragen 'wozu ist dieser Gegenstand gemacht?' - falls die (ehrliche) Antwort darauf ist 'um jemanden zu verletzen', dann ist erst einmal von einem verbotenen Gegenstand auszugehen. Wenn die Antwort ist 'um damit zu arbeiten' ist's grundsätzlich unbedenklich. Killer sollten sich diese Frage übrigens nicht stellen ;-).
Zum Gesetz: neben den bereits verlinkten Paragraphen möge der interessierte Leser ruhig im Waffengesetz ein wenig hin- und herschmökern. Die praktisch wichtigsten Dinge wird man in den beiden Anlagen finden. Ebenfalls empfohlen sei ein Blick in die ergänzenden Verordnungen zum Waffengesetz.Die ganze Pracht findet sich z.B. unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/GESAMT_a.html#W
Und bitte unbedingt beachten: Waffenrecht ist komplex und erschöpft sich nicht in den gerade zitierten und verlinkten Normen!
© 1997/98/99-2003 Christian Stücke